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Gestern noch war unser Management ein junger Mann, der mit Wirtschaftlichkeitsrechnungen nicht viel am Hut hatte. Er wollte einen Roman schreiben, Gedichte dazu, Kurzgeschichten, überhaupt: Trilogien, Dramen, Komödien, Drehbücher, weitere Romane, ein paar historische Biographien und zum Schluss eine mindestens dreibändige Autobiographie!
Inzwischen zählt man ihn zum weniger ambitionierten Senior Management. Vom Jetzt zum Ruhestand ist's ein Sprint verglichen mit der Distanz zu jenen jüngeren Jahren.

Aber wer will so kurz vorm Ziel noch sprinten müssen?
Überhaupt: was heißt das: Ruhestand?

Indem das Management nur noch Geschichtchen und Anekdoten erzählt, wird es selbst zur Romanfigur. Es lungert auf den langen, mit schwarzem Noppen-PVC ausgelegten Fluren des Verwaltungstraktes herum und fängt jeden ab, der nicht schnell genug beiseite blickt. Will man etwa in die Kantine gehen, kommt man an ihm und seinen Erzählungen nicht vorbei.
"At the end of the day", philosophiert es mal bilanzierend bereits kurz nach 10 Uhr. Oder es dramatisiert mit einem „Jetzt pass uf!“ kurzhemdsärmlig und mit lokalem Zungenschlag von einer Metabene, für die es keine Strategie mehr hat. Nie hatte.
Eine halbe Stunde später, und der kollegiale Versuch, einen Vierertisch mit Blick auf die Startbahn zu ergattern, ist misslungen.
„Fisch ist aus“, heißt’s noch dazu.

Tatsächlich haben wir etwas in den Artport-Katakomben gefunden: ein grünes Din-à-5-Heft mit ersten literarischen Versuchen unseres Managements in türkiser Tinte:

  • katakomben-1
  • katakomben-2
  • katakomben-3
  • katakomben-4
  • katakomben-5
  • katakomben-6


Auf dem Teamlaufwerk unserer IT fanden sich ferner ein paar Texte, die das zunehmend fahrlässige Management möglicherweise in dem Glauben gesichert hat, sie würden auf dem Rechner lokal gespeichert werden. Da diese Texte thematisch passen und für etwas Kurzweil sorgen könnten, haben wir uns dazu entschlossen, sie ohne Inkenntnissetzung der Leitungsebene hier auszulegen.

Oft (so kommt es uns jetzt vor) hätte ein Bild genügt. Es besteht ein Unverhältnis zwischen Schreib- und Lesezeit einerseits und Auslöse- und Betrachtungszeit andererseits. Aber da wir in einem Zeitalter des Bilderrausches leben, einer gargantuesken Pixelvöllerei ohnesgleichen, fragen wir uns, ob tausendundein Wort inzwischen nicht mehr sagt als ein Bild?
Tausendundeins: denn alles ist hier fiktional.

Hinzukommt, dass unsere Zeitgenossen mindestens allergisch auf den streunenden Straßenfotografen reagieren. So wird das Schreiben zur unbedenklicheren Form, um etwas oder jemanden für einen Augenblick festzuhalten.
Das Konkrete ist, wie die Fotografie, ein Ausgangspunkt. Alles weitere ist, wie wir selbst, frei erfunden. Um das Gegenteil zu beweisen, müsste man das Wasser festhalten und stromaufwärts zurück zur Quelle waten.


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Étude.pdf (26.78KB)
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